Dienstag, 11. März 2014

AlpX.13 - Tag 3

Bodenalpe (Ischgl) - Tschierv (Münstertal); 67,2km 2192Hm


Auch der dritte Tag sollte einer der Schwersten werden. Es galt wieder deutlich mehr als 2000 Höhenmeter zu kurbeln und dabei zwei hochalpine Pässe zu überwinden. Und der Tag fängt gleich schlecht an. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn Sergej ist übel und er fühlt sich krank. Vielleicht haben wir es mit dem Trinken aus den Bächen übertrieben, oder es war die enorme Anstrengung am Vortag, jedenfalls kann Sergej beim Frühstück kaum etwas essen und Motivation ist quasi nicht vorhanden. Trotzdem machen wir uns um kurz nach acht auf den Weg zum Fimberpass, denn eine alternative Route gibt es heute eh nicht. Es geht direkt nach Süden, das Fimbertal weiter hinauf und gegen Mittag werden wir bereits in der Schweiz sein.
Zunächst fahren wir weiter auf dem Schotterweg im Tal. Teilweise sind steilere Rampen zu überwinden und irgendwie kommen wir nicht so richtig in Tritt. Im von Viehweiden geprägten Tal hat man einen weiten Blick und es kommt einem so vor, als würde man nicht von der Stelle kommen. Aber wenigstens haben wir keinen Defekt. Denn nach einer Weile passieren wir den Trupp Sportstudenten, die an einem Bike die Kette nieten.
Prozession zum Pass
Nach einer Stunde, die sich scheinbar ewig hingezogen hat, erreichen wir die Heidelberger Hütte. Von dort machen sich etliche andere Biker auf den Weg zum Pass, so dass es in einer Prozession den Berg hinauf geht. Direkt ab der Hütte muss man schieben und tragen, denn der Weg ist schlammig, steil und mit Felsen durchsetzt. Abschnittsweise wird richtig gekraxelt. Gut dass wir inzwischen einigermaßen warm sind und solche Passagen schon vom Vortag kennen. Es dauert eine weitere Stunde und die Passhöhe auf über 2600m ist erreicht!
Große Erleichterung kann sich jedoch nicht einstellen, sondern es herrscht nervöse Anspannung unter dem guten Duzend Radler, die mit uns auf dem Pass sind. Jeder bereitet sich auf die Abfahrt vor. Die Sportstudenten haben uns inzwischen wieder eingeholt und diskutieren wer wen bei der Abfahrt filmt.
Wir wollen die angeblich 'legendäre Abfahrt der Alpen' gemächlich angehen, zu allem Anderen fehlen uns auch die Downhill-Fähigkeiten. Aber im Vergleich schlagen wir uns durchschnittlich, denn die steile Abfahrt auf Schiefergestein und losem Geröll lässt kaum jemanden gut aussehen. Weiter unten ist der Trail flacher und weniger steinig, dafür jedoch tief ausgefahren und man merkt, dass auch eine Abfahrt sehr anstrengend sein kann. Schließlich erreichen wir die berühmte provisorische Brücke über einen Wildbach. Das Ende der Abfahrt ist jedoch noch lange nicht erreicht, denn der tiefste Punkt der Etappe liegt heute in Scuol (Schuls) auf ca. 1200m.
Kurz vor dem Pass, fast geschafft!

Sergej nach einem der 'legendären Trails der Alpen' 



























Einen schönen Bereicht der Abfahrt findet man auch auf dem tollen Freeride-Blog (mit Video!)

Kurz vor dem Örtchen Vnà darf man den Abzweig Richtung Val Sinestra nicht verpassen. Aus dem engen Tal heraus führt ein kleiner Gegenanstieg, nachdem es wie von selbst auf flowigen Wanderwegen durch das charmante Örtchen Sent, gegenüber der Schlucht Val d' Uina, zur Stadt Scuol geht.
Wir haben ein gutes Gefühl, inzwischen schon die Schweiz erreicht zu haben und beschließen, uns ein ordentliches Mittagessen zu gönnen. Wir entscheiden uns für eine sympatische Pizzeria, in der ich eine der besten Pizzas meines Lebens esse. Pizza 'Chef' mit hauchdünnen Zitronenscheiben und Panna cotta. Unbeschreiblich lecker! Auch Sergej kann etwas essen, fühlt sich aber immer noch krank und hat nicht so richtig Appetit.
Mondlandschaft im Tal S-Charl
Für den Nachmittag zeigt das Navi über 1000Hm am Stück an. Wir überqueren auf einer spektakulären Brücke den Inn und sofort beginnt die Straße steil anzusteigen. In Serpentinen geht es durch den Wald immer höher. Wir packen die Helme auf den Rucksack und strampeln stur bergauf. Mit der dicken Pizza im Magen geht es jedoch nicht besonders locker voran. Die Straße scheint kein Ende zu nehmen und wechselt schließlich von Teer auf Schotter als wir in das Hochtal einfahren. Der Untergrund im Tal scheint aus lockerem Sedimentgestein zu bestehen und so gräbt sich der Fluss tief ein und wir haben das Gefühl durch eine 'Mondlandschaft' zu fahren. Ab und zu überholen uns Autos und der Postbus, denn die Straße ist die einzige Verbindung zum alten Bergbau-Dorf S-Charl, das heute ein Ziel vieler Touristen ist. Wir müssen bis an unsere Grenze gehen um schließlich das Dorf zu erreichen.
Wir setzen uns völlig entkräftet an den Bach und ich schließe für ein paar Minuten die Augen. Das ist der anstrengendste Moment während des gesamten Alpencross und eigentlich kann ich mir gar nicht vorstellen weiter zu fahren. Aber wir haben natürlich keine Wahl. Beim nächsten Mal werde ich aber ziemlich sicher den Postbus hier rauf nehmen. Der schöne Teil des Tals kommt ja erst!
Ab dem Weiler S-Charl führen nur mehr Wanderwege weiter. Es geht weiterhin bergauf, aber auf dem guten Weg in der tollen Kulisse macht es nun deutlich mehr Spaß. Wir sind fasziniert von den Rastplätzen, die mit einem gemauerten Grill und einem Vorrat an kostenlosem Feuerholz ausgestattet sind. In diesem Tal wurde einst der letzte Bär der Schweiz erlegt und anscheinend wurden wieder Bären angesiedelt, denn die Mülleimer sind bärensicher verschlossen.
Kurz vor der Alp Astras hat man einen herrlichen Blick auf die Almhütte, gelegen in einem saftigen Wiesengrund in dem sich ein Bach schlängelt und die Milchkühe gerade zum Melken getrieben werden. Ein herrliches Bild, für das sich der mühsame Aufstieg definitiv gelohnt hat. Nur, um ein Foto zu schießen haben wir nicht mehr die Muße. Wir wollen schnell über den Pass und ins Münstertal einfahren.
An den Rest der Strecke habe ich keine genaue Erinnerung mehr. Es geht durch ein Wäldchen aus Latschenkiefern und bald ist der Pass erreicht. Die Abfahrt ist unspektakulär, es geht erst auf Kies und später auf Teer voran. Erschöpft erreichen wir unsere Unterkunft 'La Vopa'.
Sergej legt sich sofort ins Bett, während ich die Bikes im Stall versorge. Draußen geht ein Wolkenbruch nieder und einmal mehr hatten wir riesen Glück mit dem Wetter, denn wir sind gerade angekommen als die ersten Tropfen fallen.
Beim Abendessen, es gibt Hirschgulasch, kommen wir langsam wieder zu Kräften und die Stimmung steigt. Wir hatten die ganze Zeit das Gefühl, das Schlusslicht im Tross der Alpencrosser zu sein, die heute morgen von der Bodenalpe aufgebrochen sind. Aber der Wirt bestätigt uns, dass wir relativ früh eingetroffen sind: "Manche kommen ja erst im Finstern an". Für uns ist dieser sportliche Wettstreit irgendwie wichtig, auch wenn wir uns unterwegs genügend Zeit zum Schauen und Genießen lassen. Aber gerade das Gefühl den Anderen hinterher zu fahren hat uns heute viel Moral gekostet.

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